Freitag, 4. März 2011

Echt? 2 Jahre?

Freitag. Ein gewöhnlicher Tag in Sierra Leone. Ein gewöhnlicher Tag auf dem Schiff. Für mich ein gewöhnlicher Freitag. Mit nur einer Ausnahme. Heute vor 2 Jahren habe ich das erste Mal mein Fuß auf dieses Schiff, der Africa Mercy, gesetzt. Es ist ein komisches Gefühl. 2 Jahre schon?! Die Zeit scheint wie im Flug vergangen zu sein. Aber so ist es ja bekanntlich mit allem, was man gerne macht. Die letzten 2 Jahre in Worte zu fassen fällt mir echt schwer. Es war definitiv eine Auf- und Abfahrt. Zeiten, in denen ich nicht mehr konnte und Zeiten, die ich anhalten wollte, weil sie so gut waren. Und ich kriege Gänsehaut, wenn ich nur daran denke, dass ich das alles ohne euch nicht hätte machen können! Was für ein Vorrecht, hier in Westafrika (und Südafrika ;) ... ) den Menschen in Not zu helfen und das ohne ein monatlichen Gehaltscheck auf dem Schreibtisch liegen zu haben. Ihr seid die wahren Helden (ich weiß, das klingt jetzt ein wenig dramatisch, aber so ist es nunmal). Geld zu haben ist eine Sache. Aber Geld weiterzugeben ist noch eine ganz andere! Und es ist auch nicht nur das Geld. Gebete, die mich in schwierigen Zeiten getragen haben, Briefe, die mich aufgebaut haben und Pakete voll mit Sachen, die mir Freude brachten. Ich bin jedem einzelnen so dankbar. Und ich garantiere euch, jeder der Tausenden, denen wir zahnärztlich geholfen haben, auch. Wenn es nach mir geht, könnte ich so eine Arbeit noch jahrelang weiter machen. Mit Mercy Ships oder in Südafrika in lokalen staatlichen Krankenhäusern arbeiten, auch wenn meine Aussichten auf eine 3-er Kabine nicht gut stehen, das tägliche Schwitzen auf die Nerven geht, es keine Pause von Mückenstichen gibt, wechselnde Jahreszeiten etwas ist, woran man sich nur noch vage daran erinnern kann, der persönliche Freiraum sich nur noch unter der eigenen Bettdecke befindet, gute Schokolade bedeutet, dass sie geschmolzen, aber noch nicht abgelaufen ist oder andersherum usw. man aber dafür Freunde aus der ganzen Welt hat, die einem schneller ans Herz wachsen als einem Lieb ist, mein schmutziges Geschirr abgewaschen wird, mir keine Gedanken um die Reparatur einer Waschmaschine machen muss und natürlich ich Menschen, mit so einer großen Not und Schmerzen helfen kann, die wir uns gar nicht vorstellen können! Schon mal versucht, soziale Kontakte mit einem riesen Tumor am Nacken herzustellen? Oder mit einer durch Verbrennungen zusammenvernarbeten Hand zu schreiben? Oder mit einer Öffnung in der Lippe, die bis zur Nase geht zu essen? Ich nicht. Und deshalb bin ich hier. Aber was noch viel wichtiger ist, den Menschen hier zu zeigen, dass sie es Wert sind geliebt zu werden. Bleibt aber trotzdem noch die Frage aus: Wann kommst du zurück? Ich habe meine "Verpflichtung" von 2 Jahren heute erfüllt. Das bedeutet, ich bin jetzt in der 3-Monats-Kündigungsfrist. (Bei Notfällen kann man natürlich immer früher schon gehen, aber man soll ja fair bleiben). Offiziell bin ich bis Ende des Jahres in den Dienstplänen eingetragen. Im Juni hingegen werden viele gehen (unter anderem Dag, der Zahnarzt mit dem ich seit 2 Jahren zusammenarbeite), die über die letzten Jahre wie eine Familie für mich geworden sind. Ich weiß, dass wir Entscheidungen nicht von Menschen abhängig machen sollten und ich weiß auch, dass ich jemandem nachfolge, der Größer ist als alles auf dieser Welt und der einen super Plan für mich hat, ich aber auch ehrlich gesagt Angst habe, hier "alleine" (mit 400 anderen Mitarbeitern nicht wirklich vorstellbar) zurückzubleiben.

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