Donnerstag, 15. April 2010

Das Mädchen

Es war einmal ein Mädchen. Das Mädchen ist 16 Jahre alt. Eines Tages bekommt sie einen Stein ins Gesicht geworfen. Aus den Händen ihres Stiefvaters. Wo ihre Mutter war, wie es dazu kam und viele andere Fragen werden wir wohl nie beantwortet kriegen. Ihr Unterkiefer war schwächer als der Stein und brach. Fast genau in der Mitte. Da sie aber kein Geld haben zum Arzt zu gehen, konnten sie den Bruch nicht behandeln lassen. Nach einer Weile hat sich um den Bruch alles entzündet und ein Fistelgang entstand. Unglaubliche Schmerzen musste dieses Mädchen ertragen. Ganz zu schweigen von den seelischen.
Eines Tages machte sich ihre Mutter mit ihr auf, um Hilfe von den Zahnärzten von Mercy Ships zu bekommen, die, wie sie gehört hat, kostenlos operieren. So stand sie nun stundenlang in der Warteschlange an, um auch gesehen zu werden.
Jetzt wird es persönlich...
Sie kam auf unseren Stuhl und hatte schreckliche Angst. Das ist bestimmt das erste Mal, dass sie überhaupt bei einem Zahnarzt ist. Sie wurde untersucht und zum Schiff geschickt, damit ein Röntgenbild gemacht werden kann und bekam auch gleich ein OP-Termin bei uns in der Zahnarztklinik. Der Plan war ihr Platten einzusetzen, die den Kiefer wieder richtig zusammenwachsen lassen sollen. So war es dann auch. Sie erschien zum Termin. Sie weinte die ganzen 3 Stunden durch. Angst, Schmerzen und Wut waren in diesen Tränen. Ihre Mutter verließ zwischendrin den Behandlungsraum, weil sie es nicht ertragen konnte. Am Ende saßen die Platten und sie konnte gut mit Schmerzmitteln ausgestattet nach Hause gehen.
Das ist aber noch nicht das Ende der Geschichte. Als sie 2 Wochen später zur Kontrolle wieder kam stellten wir fest, dass sich die Platten gelockert haben. Eine Alternative musste her. Und ein neuer OP-Termin. Diesmal, und auch wieder unter Tränen, mussten wir ihr die beiden Kiefer zusammen verdrahten, sodass sie den Mund nicht mehr öffnen kann. So kann der Unterkiefer stabilisiert werden und gescheit zusammenwachsen. Was auch geschah. Aber die Platten, die ja nicht eingeheilt waren mussten entfernt werden und somit brauchte sie noch einen OP-Termin bei uns in der Klinik. Ein entzündetes Gebiet zu anästhesieren ist nicht einfach oder funktioniert teilweise fast gar nicht. Und somit könnt ihr euch denken, dass das Entfernen kein Zuckerschlecken war. Aber nun sind die Platten draußen und ihr Kiefer ist immer noch zusammen verdrahtet. 6 Wochen soll es auch so bleiben.
Deswegen bin ich hier. Ich kann nicht jedem helfen. Ich kann noch nicht einmal annähernd jedem helfen. Aber ich konnte diesem Mädchen helfen, wieder Hoffnung geben, ein normales Leben zu führen. Die Schmerzen in ihrem Herzen kann ich nicht heilen, aber ich konnte ihr zeigen, dass sie es Wert ist, alles zurück zu lassen, um ihr zu helfen. Das sie es Wert ist, sich um sie zu kümmern. Das sie es Wert ist, geliebt zu werden.