Dienstag, 8. März 2011

Die große Voruntersuchung

Montag. Früher als gewöhnlich erwacht das Schiff zum Leben. Mich weckt der Wecker um 4.45 Uhr nachts (ja, alles vor 6 Uhr ist noch Nacht). Heute ist also die große Voruntersuchung auf die jeder schon so lange gewartet hat. Ein großer Tag nicht nur für die Menschen hier in Sierra Leone, sondern auch für uns. Endlich können sich Krankenschwester wieder um Patienten kümmern statt des Wachsen der Fußböden oder Chirurgen entfernen wieder große Tumore statt alte Rohre im Maschinenraum. Jeder wurde in verschiedene Teams eingeteilt. Die einen gaben Wasser aus, andere sorgten für Sicherheit und andere beteten für die, denen wir nicht helfen können. Morgens und abends war ich der Fahrer für alle, die zu dieser Voruntersuchungen gingen. Es ist also früh morgens und wir machen uns auf dem Weg zum Stadium, wo alles stattfinden soll. Es ist dunkel, die Straßen sind leer, es ist ruhig. Am Stadium angekommen, empfängt uns auch schon unser Sicherheitsteam (die sind nämlich schon seit 4 Uhr dort!!!), die nebenbei eifrig damit zu tun haben, Patienten wieder aus dem Stadium zu lassen, die es es irgendwie schon ins Stadium geschafft haben ohne sich draußen anzustellen.
Verschiedene Stationen werden aufgebaut: Spiele-Ecke, Gebetszelt, Stationen für die Ärzte, Zelte für das Augenarzt-Team und dann die Vor-Voruntersuchungsstation, wo ich dann eingeteilt wurde.
Der Ablauf war dann ungefähr wie folgt: Angestellt wurde sich draußen vor dem Stadium, dann wurden immer ein paar durch ein Tor gelassen, um dann vor der nächsten Tür zu warten. Diese Tür wurde immer für ein paar geöffnet, die sich dann in eine Schlange vor der Vor-Voruntersuchung die angestellt haben. Qualifizierte Krankenschwester machen hier schon die erste Entscheidung. Können wir helfen oder nicht. Hier erfüllen oder platzen Träume von einer Veränderung. Jeder, den wir helfen können bekommt ein Ticket, die anderen werden zu unserem Gebetszelt und zum Ausgang gebracht. Die mit dem Ticket werden zu der nächsten Station gebracht, wo Krankenschwestern den allgemeinen Gesundheitszustand des Patienten untersuchen und dann geht es auch schon zum Arzt, der das letzte Urteil fällt und Op-Termine vergeben lässt.
Ich war verantwortlich, dass alles bei den Vor-Voruntersuchungen reibungslos verläuft. Sobald es klar war, ob wir helfen können oder nicht, musste gehandelt werden. Wir wollten keine Zeit verlieren, damit wir so viele wie möglich sehen können. So teilten wir sie in Gruppen ein und Mitarbeiter von unserem Schiff haben sie dann zu den jeweiligen nächsten Stationen gebracht. Was hier eigentlich passiert ist mir erst bewusst geworden, als eine Mitarbeiterin mich bat, mal die Patienten mit den Tickets zu den Ärzten zu leiten und nicht mehr, die ohne Ticket zum Gebetszelt/Ausgang zu bringen. Hier wird mir klar, wir können nicht jedem helfen.
Die Verzweiflung war groß. Ich sehe meine Freundin mit einem Kind auf dem Arm, dass zu niemanden gehören zu scheint. Es wurde durch den Zaun gereicht, damit wir es helfen können. Als ich mich das nächste Mal umdrehte sehe ich Menschen über eine Mauer klettern. Ab hier möchte ich die offizielle Stellungnahme von Mercy Ships weitergeben:

Ein schwarzer Tag in Freetown

10.03.2011-

Von unseren Mitarbeitern vor Ort in Freetown, Sierra Leone, erhielten wir folgende Mitteilung: Am Montag versammelten sich mehrere tausend Patienten vor dem nationalen Stadion, um an der ersten chirurgischen Voruntersuchung in Freetown teilzunehmen. Aus bislang unbekannten Gründen brach unter der wartenden Menschenmenge am Vormittag Panik aus. Bei dem Versuch eine Absperrung zu durchbrechen, wurden mehrere Personen verletzt, ein älterer Mann tödlich. Mercy Ships Sicherheitspersonal reagierte sofort, öffnete den Zugang, lenkte die Menge in eine Wartezone um und verhinderte somit Schlimmeres. Mercy Ships Ärzte leisteten Erste Hilfe und unternahmen alles um den tödlich verletzten Mann wiederzubeleben. Alle Verletzten wurden dann von Mercy Ships Personal in örtliche Krankenhäuser begleitet und betreut. In der Zwischenzeit konnten zwei Patienten entlassen werden, sieben weitere befinden sich noch in stationärer Behandlung.

„In unseren Gedanken und Gebeten sind wir bei den Betroffenen und ihren Familien. Dass bei dem Versuch Leben zu retten und zu heilen so etwas passiert, ist mehr als tragisch. Aber auch wenn wir heute trauern, schauen wir gleichzeitig nach vorne und werden in den nächsten zehn Monaten so vielen Menschen wie möglich helfen.“ sagte der Gründer von Mercy Ships, Don Stephens.

(ein wenig ausführlicher hier auf englisch)

Keiner von Mercy Ships wurde verletzt.