Samstag, 22. August 2009

Zähne ziehen im Flüchtlingslager

Donnerstag.Es ist 7 Uhr. Die Vögel zwitschern. 20 verschlafene zahnmedizinische Mitarbeiter stehen am Dock, bereit zur Abfahrt. Mit 4 Autos ging es dann los zum UN-Flüchtlingslager. Ich war einer der Fahrer. Meine erste lange Fahrt durch Benin. Am Ende der 2 Tage sollten es dann knapp 300 km werden. 2,5 Stunden Motorroller, Palmen, riesige Lastwagen, viele Schlaglöcher später sind wir dann am Camp angekommen und ich muss sagen, ich war positiv überrascht. Was würdet ihr euch unter einem Flüchtlingslager vorstellen? Meine Vorstellungen waren: große weiße Zelte, (ein wenig) Chaos, weinende Kinder, Gas-Kocher mit großen Kochtöpfen, gähnende Leere drumherum und traumatisierte Erwachsene. Weiß gar nicht, woher ich das habe. Wie auch immer. Das Gegenteil war hier der Fall. Fröhliche, aufgeweckte, niedliche Kinder (gefühlte 150!) kamen auf uns zugerannt , langten nach weißen Händen und fragten nach unserem Namen.



Weit und breit auch keine großen Zelte. Stattdessen Palmen wohin man sieht und Hütten aus Holz und Palmenblättern. Eine wirklich wunderschöne, gepflegte Anlage. Ausladen und Aufbauen war jetzt angesagt. Da ich noch ein wenig müde vom frühen Aufstehen und Autofahren war, kam es mir total gelegen, dass uns die Menschen dort unter die Arme genommen haben. Nach einer kurzen Mittagspause ging es dann ans Zähne ziehen. Glücklich, aber müde, verschwitzt und um die 60 Patienten später fuhren wir zu unserem Hotel zurück. Eine Dusche aus einem Eimer voll Wasser hat noch nie so gut getan. Um 20 Uhr gab es dann Essen. Hühnchen/Hase/Fisch mit Reis/Pommes und Soße.
Das Zimmer habe ich mir mit einer Mitarbeiterin aus Benin geteilt. Ich war neugierig, wie bei ihr Zubett gehen und aufstehen aussieht. Fazit: Konnte keine gr0ßen Unterschiede feststellen. In der Klinik erzählt sie mir oft Geschichten, die mit Gott zu tun haben, also habe ich es mir auch nicht nehmen lassen, mir eine Gute-Nacht-Geschichte von ihr anzuhören. Meine erste Nacht seit bestimmt nun 4 Monaten ohne Klimaanlage und Schiffsschaukeln. Freitag. Um 6:50 Uhr klingelte uns dann der Wecker aus dem Bett. Zum Frühstück war improvisieren angesagt. Löffel und Wasserkocher haben wir versehentlich in der Klinik zurückgelassen. Nett, wie das Hotelpersonal war, konnten sie uns mit heißem Wasser und Löffel aushelfen. Das Frühstück war herrlich. Eine Mitarbeiterin hat Zimt-Röllchen gemacht, eine andere Bananen-Kuchen und Beeren-Kuchen. Sehr lecker! Gut gestärkt ging es dann wieder ins Flüchtlingslager. Diesmal konnten wir 90 Patienten sehen. Insgesamt konnten wir nun die erwarteten 150 Patienten sehen. YEAH! Auf dem Rückweg zum Schiff wurde dann mal noch hier und dort angehalten, um den Wochenendeinkauf zu erledigen. 20 Uhr hatte uns das Schiff dann wieder. Was für zwei erlebnisreiche Tage. Abends war ich dann echt müde, aber ich würde es jederzeit wieder machen.

Donnerstag, 20. August 2009

Rapunzel, wo ist dein Haar? Das hat jetzt jemand anders!

Mittwoch. Der Tag fing ganz gewöhnlich an, doch endete er für 6 weibliche Mitarbeiter mit einem gravierendem Einschnitt in ihrem Leben. Für 3 andere am nächsten Tag. (An alle, die schon immer kurze Haare haben, ist das hier wahrscheinlich ein wenig zu dramatisch, aber alle mit langem Haar können die Dramatik nachvollziehen). Um 18 Uhr war große Haarschneide- Aktion angesagt. Aber nicht, weil wir kein Wasser mehr haben (das jeder mit langen Haaren nicht mehr ewig das Shampoo ausspülen muss), am Shampoo sparen wollen (kürzere Haare-weniger Shampoo) oder massiven Lausbefall bekämpfen müssen. Sondern weil sie es krebskranken Kindern spenden wollten. Dafür mussten aber mindestens 20 cm runter, was für 5 von ihnen einen erheblichen Unterschied in ihrer Frisurgestaltung mit sich brachte. Ein Mädchen hatte so lange Haare, dass sie selbst nach 20 cm weniger immer noch lange Haare hatte. Die Haare wurden dann verpackt und sind jetzt auf dem Weg zu der Organisation, die Perücken für die Kinder herstellt. 6x 20cm-lange-Pferdezöpfe werden für einen Haarersatz benötigt. Einige fragen sich jetzt vielleicht, wo die Dramatik ist. Erstens: Haare lang wachsen lassen ist ein jahrelanges Unterfangen und erfodert viel Geduld und zweitens: wenn man lange Haare hat, dann hat man sie, weil man es mag und meist nicht, weil es einfach so lang geworden ist. Das Drama beginnt nun, wenn man die Haare abschneidet, um es Kindern ohne Haare zu geben. Ich oder der andere? Wie weit möchte ich gehen? Wie sehr berühren die Kinder mein Herz? Oder ist mir alles egal? Ich muss ehrlich sagen, es ging in meinem Kopf hin und her. Als eine meiner Freundinnen sich entschloss, sie abschneiden zu lassen (Haare wachsen ja nach und ausserdem ist es für einen guten Zweck), dachte ich ernsthaft darüber nach, ihr zu folgen. Nach einem Gespräch mit einer anderen Freundin, die sich dann spontan auch dazu entschlossen hatte war es amtlich: Ich werde meine Haare schneiden lassen. Leider hat das ganze hin und her überlegen so lange gedauert, dass die Haarschneiderin nur noch meine Freundin machen wollte. Ich bin dann ein anderes Mal dran. hahahahaha... aber immerhin, mein Wille war da :) Puh... Die nächste Haarschneide-Aktion ist dann im Dezember. Aber da werd ich aufjedenfall mitmachen. Haare wachsen ja nach.

Vorher/Nachher