Dienstag, 28. April 2009

Mitgefühl eines Bruders

Am Montag brachte ein Mann, um die 30, seinen Bruder, vielleicht um die 20, in die Klinik. Der kleine Bruder hatte eine große Schwellung, die vom Unterkiefer ausging. Auch im Allgemeinen schien es ihm nicht gut zu gehen. Er musste unglaubliche Schmerzen haben, denn er konnte kaum laufen und wirkte abwesend. Sein Körper war total warm, wahrscheinlich Fieber. Soviel also zur ersten Diagnose. Wir schauten uns auch die Schwellung an. Er war ernsthaft krank und sollte so schnell wie möglich ins Krankenhaus, um Antibiotikum (intravenös) zu bekommen, damit die Entzündung in Schach gehalten werden kann und der Körper wieder fit wird. Danach kann er wieder zu uns kommen und wir kümmern uns dann um die Zähne, von denen die Entzündung ausgeht. Der ältere Bruder fing an zu weinen. Das war kein gespieltes Heulen, sondern wirklich verzweifelte Tränen. Er meinte, sie haben kein Geld (was man ihnen wirklich glauben kann) um ins Krankenhaus zu gehen. Die Sache ist auch die, dass wir zwar ein Krankenhausschiff sind, aber keine Notaufnahme haben. Das bedeutet, wir unter Anderem auf das Entfernen von Tumoren, Schließen von Mund-Kiefer-Gaumenspalten oder begradigen von Beinen spezialisiert sind. Aber es muss doch eine Möglichkeit geben, ihm trotzdem zu helfen. Das sind so Momente, von denen ich am liebsten weglaufe oder ausblende oder einfach nicht an mich rankommen lassen möchte. Ich mag auch keine Filme ohne Happy-End. Für mich gibt es immer ein Happy-End. Ich weiß, dass ich irgendwann bei Jesus sein werde. Aber jetzt wieder zurück zu unserem Patienten. Wir haben uns dann entschlossen, ihn bei uns (in der Außenpraxis) zu behandeln. Der große Bruder konnte sich die Behandlung nicht ansehen und musste immer wieder das Zimmer verlassen.
Für alle, denen es wie dem Bruder geht und keine Details wissen möchten, können diesen Absatz jetzt überspringen :)
Nach dem Anästhesieren haben wir 2 extraorale und eine intraorale Öffnung gelegt, um Eiter abfließen zu lassen. Man, da kam echt eine Menge Eiter raus. Ansonsten Drain gelegt, teilweise genäht, alles schön verbunden und Antibiotikum und Schmerzmittel mitgegeben.
Dienstag kam er dann wieder und es ging im sichtlich besser, wenn auch immer noch angeschwollen und wackelig auf den Beinen. Selbst beim Verbandswechsel kamen dem Bruder wieder die Tränen. Die Situation ging ihm sehr nahe und ich konnte so mit ihm mitfühlen. Es wird noch eine Weile dauern, bis der kleine Bruder wieder ganz Gesund ist, und wird bis dahin von uns in regelmäßigen Abständen angesehen.
Noch was lustiges zum Schluss:
Unsere letzte Patientin haben wir mehrere Zähen gezogen. Beim letzten Zahn ist die Wurzel abgebrochen, weil der Zahn tief zerstört war. Also wurde aus dem "Schnell mal ein Zahn ziehen" eine kleinere Op. Nach verrichteter Dinge war sie natürlich genauso fertig, wie der Zahnarzt und legte sich auf unserm Grundstück in ein schattiges Plätzchen. Dort lag sie dann für eine Weile. Ich habe nur gesehen, wie immer mal wieder Leute von uns um sie herumstanden, weil sie irgendetwas haben wollte oder sich über die Schmerzen beklagt hatte.
Da es nun der letzte Tag einer Zahnarzthelferin war, haben unsere Mitarbeiter aus Afrika Lieder gesungen und dazu getanzt. Nach einer Weile tauchte unsere Patientin auf der Tanzfläche auf. Ich dachte, ich sehe nicht richtig. Der Zahnarzt hat auch nicht schlecht gestaunt. Die Watte zwischen den Zähnen, die Augen geschlossen und mit leichten Bewegungen tanzte sie nun zur Musik. Die Frau war echt der Hammer und sie wird jedem Klischee gerecht, dass sie hier in Afrika einfach den Rhythmus im Blut haben und sobald sie Musik hören, dazu tanzen wollen/möchten/müssen.

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